Vor kurzem habe ich darüber geschrieben, wie es uns das Change Canvas ermöglicht, Veränderungsprozesse mit ruhiger Hand zu führen und zu begleiten. Dabei habe ich einen Allgemeinen Überblick über das Change Canvas und seine Felder als Ganzes gegeben. Heute steigen wir in die Details ein und werfen einen genauen Blick auf das Feld Dringlichkeit. Wir werden sehen: Ohne ein Gefühl von Dringlichkeit geht gar nichts!
Warum Dringlichkeit so wichtig ist: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier
„Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“ – Das ist eine dieser kleinen Alltagsweisheiten, in denen eine Menge steckt. Gewohnheiten bestimmen unseren Alltag, privat und beruflich. Ohne sie wären wir völlig überlastet. Wie komme ich morgens aus dem Bett und pünktlich zur Arbeit? Welche Schritte muss ich dafür vollziehen? Dank meiner Gewohnheiten muss ich darüber nicht nachdenken. Ich stolpere ins Bad und putze mir die Zähne noch im Halbschlaf. Ich muss die Vor- und Nachteile des Zähneputzens nicht neu abwägen oder neu lernen, wie man die Tube öffnet oder wie ich die Zahnbürste im Mund führe. Ich mache einfach. Jeden Morgen. Im Wesentlichen immer gleich. Meine Gewohnheiten entlasten mich. Und das ist super ...
... bis mein Zahnarzt meine Putztechnik kritisiert. Er sagt: So wie ich mir immer die Zähne putze, wird irgendeine Ecke oder ein Zahnfleischrand nicht richtig sauber. Ansonsten ist aber alles OK und noch ist kein Schaden eingetreten. Die große Gefahr ist jetzt, dass ich morgens im Halbschlaf vor den Spiegel taumele und zwar vielleicht irgendwie darüber nachdenke, dass ich hier irgendwas anders machen sollte, aber dennoch weiter meiner Gewohnheit folge und mit der Zahnbürste weiter wie immer in meinem Mund herumbürste. Zahnzwischenraumbürste? Zahnseide? Morgen. Oder nächste Woche. Mal schauen, ob ich daran denke, wenn ich das nächste Mal im Drogeriemarkt bin.
Und genauso läuft es nicht nur auf individueller Ebene, sondern auch in der Zusammenarbeit mit anderen. Das Problem verschärft sich sogar noch, wenn Gewohnheiten zu Bürokratie gerinnen und Änderungen an Abläufen Gewohnheiten vieler Menschen durcheinanderbringen würden. Ja, wir haben immer mal wieder Qualitätsprobleme, aber meistens läuft es ja gut und der Umsatz stimmt. Außerdem sitze ich in den aktuellen Abläufen angenehm weit oben in der Entscheidungshierarchie. Auch daran habe ich mich gewöhnt. Ja, man müsste da mal was machen, aber im Moment muss Projekt X fertig werden. Das ist erst einmal wichtiger. Der Gedanke „Da müssten wir mal was ändern.“ kommt zwar immer wieder auf, geht aber auch immer wieder unter in unseren Alltagsgewohnheiten.