ChangeTipp#01: Herausforderungen mit DRINGLICHKEIT angehen

Veränderungen werden nur dann erfolgreich angegangen, wenn jemand ihnen Dringlichkeit verleiht. Bis jemand sagt „Das muss sich JETZT ändern!“, ändert sich meist nichts. Ein Beispiel dafür, wie dieser Ratschlag erfolgreich umgesetzt wird, konnte ich kürzlich in einem zweitägigen Workshop für Führungskräfte erleben, den ich für eine Software-Entwicklungs-Organisation moderieren durfte.

Die Ausgangslage – Gefahren des Erfolgs

Das Unternehmen ist aktuell sehr erfolgreich und durchläuft ein extrem schnelles Wachstum. Mit diesem Wachstum geht ein scharfer Anstieg an Komplexität einher, die in den aktuellen Strukturen nicht adäquat abgebildet und aufgelöst werden kann. In der Konsequenz können Ziele und Projekte nicht mehr effizient umgesetzt werden. Glücklicherweise zeichnet sich die Unternehmensleitung hier durch ein sehr klares Problembewusstsein aus; was sich auch darin äußert, dass sie die notwendigen Change Prozesse mit hoher Priorität vorantreiben. Der von mir moderierte Workshop ist Teil dieser Prozesse.

Ziele des Workshops – Eine neue Organisationsstruktur

Im Workshop ging es primär darum, eine neue Organisationsstruktur zu erarbeiten, die es ermöglicht, besser mit dem rapiden Unternehmenswachstum umzugehen. Unser Ziel war es, gemeinsam zu erarbeiten, welche Herausforderungen diese neue Struktur lösen muss und welche technischen Parameter (z. B. Abhängigkeiten und Wissensinseln) dabei zu berücksichtigen sind.

Die Herausforderung im Workshop – Gruppendynamik

Workshops sind oft eine herausragende Idee, um viele Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven auf ein Problem an der Lösungsfindung zu beteiligen. Aber: Gruppen tun sich oft schwer, bestehende Organisationsformen umzustrukturieren – und darum ging es hier. Viele sehen ihre Routinen in Gefahr, befürchten einen Verlust an Einfluss oder sind aus sozialen Gründen zurückhaltend. Denn niemand möchte seinen Kollegen „auf die Füße treten“. Daher wird in Workshops, die Organisationen strukturieren sollen, oft viel geredet, aber wenig entschieden.

Lösung #1: Fokus auf Lösungen und Leitplanken

Meine Empfehlung hier war, klaren Fokus auf die Lösungsfindung zu legen (DRINGLICHKEIT!). Was nicht im Fokus stehen sollte, waren persönliche Befindlichkeiten und komplexe Abhängigkeiten. Stattdessen ging es konsequent um das Definieren messbarer Ziele und Leitplanken.

Lösung #2: Das richtige Gesprächsformat

Als „Game Changer“ im Workshop hat sich das sogenannte Fishbowl-Format erwiesen. Bei diesem Gesprächsformat führt ein innerer Kreis an Teilnehmern eine moderierte Diskussion vor einem äußeren Kreis an Zuhörern. Dabei bleibt stets ein Stuhl im inneren Kreis frei. Jeder Teilnehmer im äußeren Kreis kann jederzeit anzeigen, dass er an der Debatte teilhaben will, indem er zum freien Stuhl geht. Daraufhin muss einer der Teilnehmer im inneren Kreis aufstehen und in den äußeren Kreis gehen. Wer wann in den Kreis tritt oder diesen verlässt, ergibt sich frei aus der Sozialdynamik der Teilnehmer.

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Das Format hat sich sehr bewährt, um eine schnelle und fokussierte Diskussion zu ermöglichen, die einen regen Austausch von Perspektiven anstößt. Als Moderator habe ich das Gespräch an einer Liste hochpriorisierter Themen ausgerichtet, um sicherzustellen, dass alle wichtigen Aspekte zur Sprache kommen und der Fokus durchgehend auf Lösungen und Leitplanken liegt.

Das Ergebnis: Eine konsolidierte Organisationsstruktur

In weiteren Gesprächen wurden dann Schritt für Schritt eine neue konsolidierte Organisationsstruktur sowie Leitplanken für die Projekte erarbeitet. Einige Beispiele: Für den Agile Release Train wurde festgelegt, dass Teams zukünftig nur noch bis zu 100 und nicht mehr bis zu 150 Teammitglieder umfassen. Außerdem wurde sowohl für Teams als auch Vorgesetzte definiert, dass sie in niemals mehr als zwei Zeitzonen arbeiten. Für die Produktentwicklung wurde eine klare Trennung beschlossen zwischen Themen, die für alle Kunden gelten (Entwicklung von Basismodellen), und Themen, die nur für einige Kunden gelten (Ausbau der Basismodelle nach Kundenspezifikation).

Außerdem haben wir eine Roadmap entwickelt, die die Umsetzung der beschlossenen Ziele und Leitplanken strukturiert. Dieser Umsetzungsprozess zielt auf kleinschrittige Veränderung mit schnellen Verbesserungspotentialen sowie regelmäßigen Evaluationen und iterativer Anpassung des Zielbildes.

Fazit: Ohne DRINGLICHKEIT geht es nicht!

Das richtige Gesprächsformat sowie eine Moderation mit klarem Fokus auf Ziele und messbare Parameter und Leitplanken waren wichtige Erfolgsfaktoren für den Workshop – der „Hidden Factor“ war aber das Führungsteam, das die Dringlichkeit der Situation klar erkannt und gemeinsam präzise formuliert hat. Dieser klar formulierte Anspruch des Führungsteams, dass JETZT Veränderung tatsächlich bewirkt werden muss, war eine notwendige Voraussetzung für den Erfolg des Workshops und des daran anschließenden Change Prozesses.
Dieses Beispiel unterstreicht, warum „Dringlichkeit“ ein Feld der Change Canvas Methode ist. Mehr dazu in meinem Artikel zum Feld Dringlichkeit im Rahmen meiner Change Canvas Serie.